Meinungslenkung oder demokratische Kultur?

Ein Leserbrief von Martin Schön

In der Debatte um ein mögliches Verbot der AfD wird häufig mit dem Begriff „rechtsextrem“ operiert – doch dieser ist kein hinreichendes Kriterium für ein Parteiverbot. Laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss eine Partei verfassungswidrig sein – nicht bloß verfassungsfeindlich. Das bedeutet: Sie muss aktiv und „aggressiv-kämpferisch“ darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. …

Das vom Verfassungsschutz eingeführte Etikett „gesichert rechtsextremistisch“ ist in diesem Zusammenhang rechtlich irrelevant – es ersetzt kein Urteil eines Verfassungsgerichts, wird aber von vielen Medien so verwendet, als sei damit die demokratische Illegitimität der Partei bewiesen. Die mediale Reproduktion solcher Schlagworte trägt wenig zur Aufklärung bei, wohl aber viel zur Meinungslenkung.

Hinzu kommt ein beunruhigender gesellschaftlicher Druck: Wer sich (auch nur partiell) zur AfD bekennt, riskiert berufliche Nachteile, soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung. Politischer Diskurs wird dadurch in den privaten Bereich verdrängt, Menschen achten darauf, mit wem sie öffentlich sprechen oder wo sie im Restaurant sitzen. Wenn politische Versammlungen einer zugelassenen Partei wie geheime Treffen organisiert werden müssen, stellt das einen demokratischen Missstand dar – nicht primär durch die Partei selbst, sondern durch ein Klima, das abweichende politische Meinungen mit Sanktionen belegt. …

Wer die Auseinandersetzung mit der AfD auf den Gerichtsweg verschieben will, weil er sie argumentativ nicht mehr führen möchte, schwächt langfristig unsere demokratische Kultur.